Hass ist kein Spiel

ist ein interaktives Theaterprojekt des Kunstkollektiv provisorisch und der Rabenakademie. Das Projekt wurde gefördert vom Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung der Stiftung für Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung.

Hass ist kein Spiel ist corona-bedingt ein anderes Projekt geworden als geplant. Es ist ein Projekt zum Thema Hate Speech mit Jugendlichen. Wir haben Interviews mit Jugendlichen geführt, Unsichtbares Theater nach Augusto Boal gemacht, Online- und Offline-Workshops mit performativen Elementen und kreativen Schreibmethoden durchgeführt und eine Performanceinstallation im öffentlichen Raum veranstaltet. Einige der entstandenen Texte, Audios und Bilder aus den Workshops und Performances dokumentieren wir hier.

Zwei Jugendliche haben das Projekt mit entwickelt. Sie waren zuerst Teilnehmende eines Online-Workshops. Danach entwarfen sie die Performanceinstallation für den öffentlichen Raum mit uns und konzipierten die Offline-Workshops. Das Kommentieren von Körpern, Catcalling und Slutshaming entwickelte sich während des Projekts zu einem Fokus. Mit den beiden Jugendlichen planen wir in einem Folgeprojekt mit performativen Mitteln und kreativem Schreiben zum Thema Scham und Beschämung weiterzuarbeiten.

Performance

Die Performance „Is hate part of our nature?“ in der Hasenheide entwickelten wir gemeinsam mit zwei Jugendlichen in Online-Workshops. Im Grünen bauten wir Stationen zur kreativen Auseinandersetzung mit Hate Speech auf und schufen so einen neuen Gesprächsrahmen, der persönliche und gesellschaftspolitische Ebenen verknüpfte. An einer Audiostation wurden Songs, Gedichte und Zitatschnipsel hörbar. An der visuellen Station hingen Zitate aus Interviews mit Jugendlichen an Bäumen, es wurden Fragen gestellt und dazu frei geschrieben und gezeichnet. An der Sprechstation wurden die Fäden der beiden anderen Stationen zusammengezogen und ein fortlaufendes offenes Gespräch geführt.

gender standards – Gedicht, geschrieben und gelesen von Elli
eyes&looks – Gedicht, geschrieben und gelesen von Elli
Song, geschrieben und gesungen von Artemis

Texte

Moreover, saying that someone is trash is not an opinion and obviously is hate speech.

the constant fear of being touched, raped or insulted follows me everywhere now. I mostly don`t feel like I can tell anyone because its embarassing that I get catcalled everywhere I go and that I can never feel safe.

I don`t get it. Why should people make sexual comments to a minor just because they are wearing a dress on a summerday.

There isn`t a real relation between people when they are online.

Es ist immer einfacher bei jemand anderen die Fehler zu suchen und nicht bei sich selber. Ich glaube, dass man manchmal so handelt, um nicht verletzt zu werden. Dann ist es einfacher man baut um sich eine Schutzmauer und beleidigt den anderen. Und ja, ich gebe zu manchmal fühlt es sich gut an sich über den anderen lustig zu machen, ihn zu verletzen.

I think it [bullying] was a way to entertain ourselves, to feel powerful and part of a group.

I wonder what my body would feel like without shame.

Workshops

In Workshops arbeiteten wir on- und offline mit Jugendlichen zu Hate Speech. Online lag der Fokus auf den Fragen: Was ist Hate Speech? Was hat das mit mir zu tun? Und was hilft dagegen? Wir clusterten Wörter und schrieben Texte und Songs, die wir uns vorlasen. Wir zeichneten, machten Bilder und Live-Videos. Mit zwei Jugendlichen aus einem Online-Workshop entwickelten wir in weiteren Online-Workshops die Performance für den öffentlichen Raum und eine Installation für Offline-Workshops in Schulen.

Die Offline-Workshops fanden mit Schüler*innen der Berlin Cosmopolitan School im Park und in der Schule statt. Teil der Workshops war eine Installation mit drei Stationen. An der Audio-Station hörten die Schüler*innen Zitate aus Interviews mit Berliner Jugendlichen, Gedichte und Songs der vorherigen Teilnehmenden. An einer Skala-Station stellten sie sich zu Fragen auf einer Skala von 1 bis 10 auf und diskutierten über Hate Speech in ihrem Umfeld. An der Schreib-Station schrieben die Schüler*innen zu ihren Erfahrungen mit Bullying und Hate Speech, einige davon sind unter dem Abschnitt „Texte“ zu lesen.

Zum Abschluss der Offline-Workshops formulierten die Schüler*innen Wünsche an ihre Klassen.

Insta-Installation

Slut Shame war eine Installation auf Instagram, die sich auf die Gefahren von Online-Bullying fokussiert und die unterschiedlichen Erwartungen an das Verhalten von Mädchen und Jungs online und offline hervorhebt.

Lola ist ein 16-Jähriges-Mädchen aus Großbrittanien, die gerade mit ihrer Familie nach Berlin gezogen ist und die Sprache noch nicht spricht. Sie postet auf Instagram ein Oben-Ohne-Bild mit zwei Emojis, die ihre Nippel verdecken. Lolas Mitschüler*innen antworten mit einer Flut an Beschimpfungen.

Wir gaben uns als Lola und ihre Bullies aus – in einem Experiment des Unsichtbaren Theaters. Wir fragten uns, ob Unbekannte die Beschimpfungen wahrnehmen und Lola unterstützen werden? Oder ob Lolas Mobbing ignoriert werden wird? Wir wurden positiv überrascht. Relativ schnell meldete sich eine junge Frau und verteidigte unseren Hauptcharakter Lola. Das war etwas, was wir während des ganzen Prozesses im Projekt beobachten konnten: Wie junge Frauen füreinander kämpfen und sich unterstützen, wenn sie Zeuginnen sexistischer Angriffe werden.

Fragen

Im Projekt sammelten wir immer wieder Fragen und suchten nach Antworten.

Wer ist provisorisch?

Das Kunstkollektiv „provisorisch“ macht Theater und Szenisches Schreiben zu Politik und Gesellschaft. provisorisch schreibt kreative Texte, steht auf der Bühne, performed im öffentlichen Raum und stiftet andere dazu an. provisorisch gibt es seit 2019, es ist ein Zusammenschluss von Künstler*innen aus dem Bereich Performance und Poesie.

Grace Holme

ist Theatermacherin (MA ,Applied Theatre‘, Goldsmiths, University of London), Schauspielerin und Autorin. Ihre Interesse gilt dem sozialen und politischen Nutzen des Theaters. Sie arbeitete u.a. an der Schaubühne, am English Theatre Berlin und am Ovalhouse Theatre, London. Im Jahr 2015 gewann sie den Total Theatre Award für ,The Beanfield‘, ein dokumentarisches Theaterstück. Website: www.graceholme.com

Cora Guddat

ist Schauspielerin und Theaterpädagogin (BuT). Sie spielt in freien Theaterproduktionen und Performances. Ihr Interesse gilt hierbei gesellschaftlich relevanten und politisch aktuellen Themen. Als Theaterpädagogin leitet sie Workshops zum Thema Diskriminierung und Vorurteile mit Jugendlichen. Unter Anderem arbeitet sie seit Jahren mit den Methoden des Theaters der Unterdrückten.

Leandro Gomes Viana

ist Theaterpädagoge aus Brasilien und hat mit Puppentheater in Brasilien machtkritische Projekte in Minas Gerais entwickelt und durchgeführt. Leandro ist seit 2012 in Deutschland und hat in Rostock studiert. Seit dem beschäftigt er sich mit den Themen Kinderrechte, Migration, Antidiskriminierung und Empowerment. 

Iona Buchanan

ist eine Schauspieler*in und Performer*in aus Schottland. Iona war nach dem Theaterstudium für zwei Jahre Teil von einem politischen physical Theater Ensemble und tourte mit diesem über drei Kontinente. Ionas künstlerische Praxis verortet sich in Performances in öffentlichen Raum.

Anka Hellauer

ist ausgebildete Poesiepädagogin und Politikwissenschaftlerin. Poesiepädagogik hat sie am Berliner Institut für Kreatives Schreiben gelernt. Sie gibt politische Bildungsworkshops vor allem zu Antidiskriminierungsthemen und Workshops im kreativen Schreiben vor allem für Kinder und Jugendliche.